Fasching im Bergparadies (4)

Narrenzunft Wurzelhexen



Die Hexensage! Eine bis jetzt in der Öffentlichkeit unbekannte Sage, die im hinteren Bernecktal, das bis zum Jahre 1810 zum schrambergischen Stabe "katholisch Tennenbronn" gehörte, ihren Ursprung hat. Darin wird geschildert, wie eine sogenannte Hexe, an welche das Volk noch bis in die Anfänge des 19. Jahrhunderts hinein glaubte, sechs Jahre anstelle der Ehefrau mit einem verheirateten Mann gelebt hat,ohne daß letzterer dies wahrnahm. In der Berneck hatte sich ein Mädchen in einen jungen Mann verliebt, der ihr verheimlichte, daß er verheiratet sei. Als es das erfuhr, wurde es ganz schwermütig. So ging es einst in den Wald und traf dort eine alte Frau, die auf einem Baumstumpf saß. Die Frau fragte das Mädchen nach der Ursache seiner Traurigkeit. Anfangs wollte das Mädchen mit der Sprache nicht heraus. Als ihm aber die Frau Hilfe versprach, erzählte es ihr alles. Hierauf sagte die Alte: "Wenn du den Mann doch haben willst, obschon er verheiratet ist, so laß dir jetzt sieben Haare vom Kopf ausreißen." Ohne Bedenken legte das Mädchen den Kopf in den Schoß der Frau und ließ sich von ihr die sieben Haare ausreißen. Die Alte wickelte die Haare in Papier und auch sonst noch etwas und sagte dem Mädchen, wenn es dieses Päckchen ständig unter den Kleidern auf dem Rücken trage, könne es hexen. Wirklich übte das Mädchen das auch fleißig und zauberte den jungen Mann oft zu sich her. Auch gelang es ihm, dessen Frau kennen zu lernen. Es redete ihr öfters zu, in der Walpurgisnacht mit ihr auf den Blocksberg zu fahren, um zu sehen, wie prächtig es dort sei. Die Frau widerstand lange, endlich ließ sie sich zur Zusage bewegen. In der Walpurgisnacht, zwischen 11 und 12 Uhr, kam das Mädchen mit einer Kutsche, die mit Schmetterlingen bespannt war, vor das Haus der Frau. Die wollte nicht mitfahren, weil ihr Mann es ihr verboten hatte. Da sprang das Mädchen, das den Mann in einen tiefen Schlaf gezaubert hatte, aus dem Wagen, riß die Frau beim Kopfe zum Fenster heraus und warf sie, ohne selbst mit einzusteigen, in die Kutsche, die sich sogleich in die Lüfte erhob. Während man aus der Luft von allen Seiten ein Schreien und Sausen hörte, fuhr der Wagen schnell fort wie der Wind über Berg und Tal. Auf einmal verschwand er, und die Frau fiel auf die Erde herab. Sie befand sich im Welschland, wo sie die Sprache nicht verstand. Zum Glück aber traf sie eine Herrschaft, die sie in ihre Dienste nahm. Nach sechs Jahren hatte sie von ihrem Lohn so viel erspart, daß sie die Heimreise unternehmen konnte. In der Nähe der Berneck erfuhr sie, das niemand ihre Abwesenheit bemerkt hatte, daß man aber das Mädchen seit sechs Jahren vermisst habe. Das hatte nämlich, als die Frau kaum fort war, deren Haushalt und Stimme angenommen und seit dem mit dem getäuschten Manne, jedoch in stetem Unfrieden, gelebt, auch ihm im letzten Jahre ein Kind geboren. Wie die Frau in ihr Haus kam, sah sie eine ihr ganz ähnliche Gestalt, den Rücken gegen sie gekehrt, am Brunnen stehen und ihre beiden Kinder, die schon groß geworden waren, im Hof herumlaufen. Sie ging in die Stube, ihr Mann saß finster da und ein kleines Kind lag in der Wiege. Kaum hatte sie ihn angeredet, so kam das Mädchen zur Türe herein – es sah ganz wie sie aus. Voll Verwunderung rief der Mann: "Was ist denn los, ich glaub ich habe zwei Frauen!" Da sprang die Hexe zur Wiege, riß ihr Kind heraus und eilte mit ihm davon. Nach neun Tagen wurden beide tot im Wasser gefunden. Der Mann und seine rechtmäßige Frau lebten nachher miteinander in ungestörter Liebe und Einigkeit.


Fasching im Bergparadies (5)
Fasching im Bergparadies (2)